Der Glocknerkönig 2018

 Der Glocknerkönig ist mein Testlauf am Berg. Hier in der Fränkischen Schweiz haben wir solche Anstiege nicht. Leider. Es ist für mich die Probe der Proben für den Ötzi. Letztes Jahr konnte ich feststellen (sowohl beim gescheiterten Arber (Runde A) als auch beim gescheiterten Ötzi), dass ich Angst davor habe, meine Kraft am Berg zu verpulvern und dann später keinen Saft mehr habe. Also schaltet sowohl mein Kopf, als auch meine Muskeln in eine "slow-Motion Phase". Also so langsam und kräfteschonend wie möglich bergauf. Der Vorteil dabei: Ich kann relativ lange relativ unbeeindruckt den Berg hinauf fahren. Der Nachteil: Es ist schlimm für die Psyche, weil ständig andere Fahrer an mir vorbei ziehen und bei einem Marathon oder einem Rennen, bei denen es zeitliche Beschränkungen gibt, bringt es mir nichts. So wie letztes Jahr beim Ötzi.
Ich habe dieses Jahr die Vorbereitung auch relativ spät angefangen, da ich erst dachte, es gibt nichts, für das ich trainieren kann. Trotzdem hab ich mich in Zeug gelegt und bin bis zum 3.6. ca. 1500km gefahren. Seit Ende März. Ich finde, das kann sich sehen lassen. (Vergleich zu letztem Jahr: Knappe 900km).
Der Glocknerkönig ist kein langes Rennen, aber von den 30km insgesamt geht es nun mal knappe 20km den Großglockner hinauf. Von 757m über dem Meeresspiegel bei Bruck an der Großglocknerstraße bis hoch 2.428m ü.M. zum Fuscher Törl. www.glocknerkoenig.com/
In den letzten Tagen vor dem Rennen war die psychische Belastung für mich relativ hoch: "Was ist, wenn das ganze Training nichts gebracht hat?" "Was ist, wenn ich wieder so langsam bin, wie letztes Jahr?", "Was, wenn...?", "Wenn ich den Glockner nicht schneller schaffe, brauch ich den Ötzi gar nicht versuchen....?". Ich meine, ich sehe bei meinen Fahrten zu Hause, dass ich schneller werde, dass mein Puls runter geht (meistens zumindest), aber wer sagt denn, dass das dann in den Bergen genau so sein muss? Niemand. Genau.
Das oberste Ziel für dieses Jahr: schneller sein als letztes Jahr!. Das unerreichbare Ziel (Träumen darf man ja auch noch): eine Zeit von ca. 2 Stunden. Und das Ziel, mit dem ich glücklich und zufrieden nach Hause fahren würde: So etwas um die 2 Std. und 30 min.
Die Verpflegung für das Rennen hatte ich mir folgendermaßen gedacht. Ich hasse es, während dem Fahren Riegel zu essen. Zu Hause nehme ich mir immer 2 Minuten, stelle mich an einen schönen Platz und genieße die Pause. Beim bergauffahren ist mir die Luft zum atmen wichtiger als zum essen 😁 und ich wollte eigentlich ohne Pause den Großglockner hinauf. Also habe ich ein Müsli mit Milch, etwas Obst und einen PowerBar Riegel gefrühstückt und hatte in der Trikotasche einen Apfel-Smoothie von PowerBar dabei. Dessen Vorteil ist, dass ich ihn nicht kauen muss. Das gelige Zeug schmeckt um Längen besser als die Energy Gels vor 5 Jahren, hat aber immer noch einen komischen Beigeschmack. Aber es war super am Berg. Dann hatte ich noch einen Recovery-Riegel für danach dabei und in den Trinkflaschen einmal Elektrolyte und einmal Energie-Gel in Wasser aufgelöst.
Verpflegungstechnisch war ich also versorgt.
Am Renntag (3.6.) war ich den ganzen Morgen bemüht, mich zu beruhigen und mich zu konzentrieren, aber das hat nur bedingt funktioniert. Ruhig war ich erst, als ich am Start stand und sich die Straße hinter mir langsam füllte. Das Wichtigste: Auf den ersten 5-7 flachen Kilometern nicht zu schnell fahren. Klar, das Tempo hochhalten, aber ich wollte mir keine Gruppe aussuchen, die mich komplett in Grund und Boden fuhr und ich dann am Fuße des Berges kaputt war, ich wollte aber auch nicht die ganze Zeit alleine im Wind fahren. Also hab ich mir 4-5 Fahrer gesucht, die ein ähnliches Tempo drauf hatten wie ich. So weit so gut.
Kaum ging es den Berg hinauf, find mein Kopf an zu arbeiten. "Bist du schneller?", "Warum überholen dich die ganzen Zeit die Leute?", "Warum tun dir jetzt schon die Beine weh?", "So schaffst du das doch nie da hinauf.....?!". Ich musste meine ganze Willenskraft nehmen um diesem inneren Schweinehund den Mund zu verbieten. Das Prinzip der kleinen Siege. "Wow, Klasse, du hast es bis zur nächsten Kurve geschafft!", "Super, schon das Ende der Brücke erreicht!", "Respekt, du rockst das hier!". So kann ich mich hochpeitschen. Immer weiter. Und ein super Spruch von einer Frau, die Ultras läuft: Weh tut es sowieso. Das habe ich mir zu Herzen genommen. Weh tut es immer. Die Frage ist nur, was mache ich daraus?
Doch je länger es hochgeht, desto lauter wird der Schweinehund. Ich hab es mir verboten auf die Uhr zu schauen, den Tacho hab ich gar nicht erst mitgenommen. Aber als es dann an die Serpentinen ging und ich mich von einer zur anderen kämpfte, merkte ich, wie meine Kraft so langsam dahin schwand. Und ich wusste immer noch nicht - wie lag ich in der Zeit? Wie ja schon gesagt, ich wollte keine Pause machen. Aber ich musste. Also fuhr ich rechts ran und atmete erstmal tief durch. Wieder und wieder. Und dann sah ich auf die Uhr. 1 Stunde, 45 Minuten!! Der pure Wahnsinn. Ich hätte nie gedacht, dass ich so schnell sein würde. Das war erleichternd. Also rauf aufs Rad und weiter.
Kehre um Kehre weiter nach oben. Ich hole so langsam die Fahrer wieder ein, die mich unten dämlich grinsend (vielleicht hab ich mir das auch nur eingebildet) überholt haben. Mein Atem, mein Rhythmus. Die Beine tun sowieso weh. Meine Haut ist aufgerieben, das Sitzen tut weh. Egal. Weiter.
Ich seh das Ziel. Das ist das gemeine. Ca. 5 Kehren vor dem Ziel sieht man es schon. Für die Psyche ist das der Horror. Ich fahr nochmal rechts kann. Kann eigentlich nicht mehr. Sarkasmus unter uns Fahrern wird laut. "Sind ja bloß noch....", "Jetzt wird's nochmal steil - aber egal, das geht jetzt auch noch", "Is nur noch a bissle", "Das schaffen wir doch etz mit links!". Von Oben kommen einem schon die ersten auf dem Weg nach unten entgegen. Super. 3-4 Kehren vor dem Ziel: Fotografen stehen bereit. Ist ja super, dass wir Bilder von uns haben, aber die müssen natürlich dann da stehen, wenn man kaputt ist und nicht mehr kann und aussieht, als wäre man einen Marathon gefahren. Ha Ha.
Dann das Ziel. Ebenso gemein. Es ist eine lange Rampe, auf der es nur nach oben geht. Man wird unten in der letzten Kurve dazu verleitet in einem letzten Sprint alles zu geben, aber die Rampe ist so lang, den würde ich nie durchhalten. Also ruhig weiter. Leute, die mich anfeuern, meinen Namen rufen (er steht auf meiner Startnummer). Weiter, nicht hektisch werden. Weiter drehen, treten. Dann, 5 Meter vor dem Ziel, 5 Fahrer vor mir. Aus dem Sattel in den Sprint und los! Alle 5 überholt und ins Ziel! Geschafft!! 2 Stunden 37 Minuten und 21 Sekunden!
Ich war danach so kaputt und unendlich glücklich und zufrieden. Mein Ziel war erreicht. Und ich hatte alles gegeben, ich war nicht im "Slow-Motion Modus" gefahren. Die Erleichterung darüber, das Ergebnis meines Trainings so deutlich zu sehen, schwingt immer noch in mir nach. Und es stärkt meinen Willen und den Glauben an mich selbst, den Ötztaler Radmarathon 2018 als Finisherin im Ziel zu beenden!




















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